Technik ändert sich, Gefühle bleiben!
Vom Soundmirror zum Dynavox
Vom Soundmirror zum Dynavox

Vom Soundmirror zum Dynavox

Es war das Jahr 1946, als die New Yorker Brush Development Company, ein Hersteller von piezoelektrischen Kristallen, eines der ersten amerikanischen Tonbandgeräte auf den Mark brachtet: den sogenannten „Soundmirror-Recorder“.

Bei diesem Apparat, der die Typenbezeichnung BK 40 trug, handelte es sich um die Weiterentwicklung eines Sprachdiktiergerätes. Es wurde 1935 von dem nach Amerika ausgewanderten deutschen Ingenieur Joseph Semi Begun erfunden. Der Soundmirror war in einem aufklappbaren Koffer untergebracht und arbeitete mit einem beschichteten Papierband von 1/4 Zoll Breite als Tonträger.

Vom Soundmirror zum Dynavox

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Dynavox

Zu den ersten Unternehmen, die Soundmirror-Geräte nach Europa importierten, gehörte 1947 die Traco Trading & Co. Ltd. Zürich. Die kleine Firma gehörte dem 52-jährigen Hans Caspar, einem ehemaligen Betriebswirtschaftler. Er hatte sich mit dem Import und Vertrieb von Fotoapparaten, Radios und elektronischen Bauteilen ein kleines Vermögen verdient. Die Geräte holte er vorwiegend aus Japan, Amerika und Italien und brachte sie über eigene Vertreter in den Elektrofachhandel. „Doktor Caspar“, wie er sich zu nennen pflegte, galt in der Elektrobranche als autoritär auftretender und eigenwilliger Einzelgänger. Ein Mann mit einer ausgesprochenen Nase für neue Produkte und Märkte.

Mit den importierten Soundmirror-Tonbandgeräten, von deren Verkauf er sich ein riesiges Geschäft versprach, hatte er allerdings kein Glück. Die im Originalzustand mit drei Induktionsmotoren für 60 Hertz ausgerüsteten Apparate waren derart störanfällig, dass an einen Verkauf nicht zu denken war. In der Annahme, sich auf ein schlechtes Geschäft eingelassen zu haben, lagerte Caspar die unbrauchbaren Geräte fast zwei Jahre im Keller seines privaten Wohnsitzes in Zürich ein.

Ernst M. Egli erkannte das Marktpotential

Anfang 1949, anlässlich eines Besuches von Ernst M. Egli, dem Geschäftsführer der Telion AG, in Caspars Haus, kamen die beiden auf die unbrauchbaren amerikanischen Tonbandgeräte zu sprechen. Egli ließ sich einen Soundmirror vorführen, musste aber ebenfalls erkennen, dass das Gerät in diesem Zustand unverkäuflich war. Im Gegensatz zu Caspar erkannte der Elektroingenieur aber das Marktpotential dieser damals neuen technischen Entwicklung. Eglis Ratschlag an Caspar stellte die entscheidende Weiche für die Zukunft von Willi Studer: „Wenn es jemand fertigbringt, diese Dinger so instand zu setzen, dass sie auch verkauft werden können“, meinte Eglis, „dann ist es Willi Studer“.

Dynavox Bildergalerie

Hier findest Du eine Galerie mit vielen interessanten Bildern. Herzlichen Dank dafür an Michael Maier aus der Schweiz.

Obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt nie ernsthaft daran gedacht hatte, Tonbandgeräte selber herzustellen, hatte sich Willi Studer mit ihrer Technik längst eingehend befasst. Als die ersten Geräte auf dem Markt erhältlich waren, hatte er die Apparate der Marken „Mirrorphone“, „Revire“ und „Magnetophon“ besorgt. Die Geräte wurden von ihm in ihre Bestandteile zerlegt und die unterschiedlichen Bauteile, Konstruktionen, Schaltpläne und Funktionsweisen studiert. Über die neue Tonbandtechnik referierte er an der Gewerbeschule Zürich, wo er einmal wöchentlich Radioelektroniker-Lehrlinge unterrichtete, sowie an Abendkursen, wo er, der Autodidakt, Elektriker zu Elektronikern ausbildete.

Soundmirror war nicht für das schweizerische Stromnetz gebaut

Studer staunte nicht schlecht, als Hans Caspar an einem Januarmorgen des Jahres 1949 mit einem „Soundmirror“ seine Werkstatt an der Wehntalerstrasse 299 betrat und sagte: „Wenn Sie diese Kiste zum Laufen bringen, können wir ein gutes Geschäft machen.“ Ein Tonbandgerät dieses Typs hatte Studer bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen. „Ich erkannte schnell“, erinnerte er sich, „dass die Reparatur ein hoffnungsloses Unterfangen sein würde. Der Soundmirror war einfach nicht für das schweizerische Stromnetz gebaut.

Mit 50 Hertz vibrierte das Gerät noch dermaßen, dass es beinahe auseinander fiel. Der Apparat an sich, die Technik und die ungeahnten Möglichkeiten, die er bot, faszinierten mich aber vom ersten Augenblick an. Ich war überzeugt, hier mit einer Entwicklung konfrontiert zu sein, der die Zukunft gehörte.“

Während der Umbauarbeiten der Soundmirrors, die er unter anderem mit neuen Wellen, Rädern und Rollen ausstattete und so tatsächlich zum Laufen brachte, reifte in Willi Studer der Entschluss, ein eigenes Tonbandgerät herzustellen und dieses von Grund auf besser zu konstruieren. Hans Caspar, den er über sein Vorhaben in Kenntnis setzte, zeigte sich von dieser Idee begeistert und erklärte sich bereit, den Vertrieb der Neuentwicklung zu übernehmen.

Willi Studer entwickelte einen Prototyp

Der 37-jährige Studer machte sich umgehend an die Realisierung des Projekts und entwickelte während der folgenden Monate in tage- und nächtelanger Arbeit einen Prototyp, der mit dem Soundmirror nicht mehr das Geringste zu tun hatte. Für seine Entwicklung konstruierte Studer nicht nur einen neuartigen Band-Schnelltransport und einen von 110 bis 220 Volt umschaltbaren Netzanschluss.

Er entwickelte auch einen Tonkopf, der statt für das bislang beschichtete Papierband für das moderne Magnettonband als Tonträger ausgelegt war. „Weil noch keine speziellen Bauelemente und Messinstrumente für Tonbandgeräte erhältlich waren“, erinnerte er sich, „mussten große Schwierigkeiten überwunden werden. Für die Kontrolle der Gleichlaufschwankungen benützte ich beispielsweise die Stabilität des Telefonsummtons.“

Der Beginn einer beispiellosen Karriere

Als Willi Studer im Juni 1949 den Prototypen fertig hatte und Hans Caspar vorführte, war dieser derart begeistert, dass er gleiche eine Serie von 500 Stück in Auftrag gab. Mit einem auf sechs Personen erhöhten Mitarbeiterstand nahm Studer die Produktion auf. Noch vor Weihnachten 1949 brachte die Traco & Co. die ersten Studer-Tonbandgeräte unter dem Namen „Dynavox“ in den Handel.

Angeboten wurden zwei verschiedene Ausführungen. Das Tischmodell befand sich in einem aufklappbaren Holzgehäuse, das von Walter Wehrlis Schreinerei in Hedingen hergestellt wurde. Der Apparat, mit eingebautem „Drahtrundspruchanschluß“ und zwei Stunden-Spulen, kostete 1.275 Schweizer Franken. Das zweite Gerät war als Kunstlederkoffer ausgelegt und wurde für 1.470 Schweizer Franken verkauft.

In technischer Hinsicht waren beide Ausführungen identisch. Bei einer Tonbandgeschwindigkeit von 19 cm/s war mit den Geräten eine Abspieldauer von 60 Minuten möglich. Die Bedienung erfolgte über einen zentralen Steuerschalter und die Aussteuerungsanzeige über ein „magisches Auge“. Die rund 18 Kg schweren Geräte verfügten über eine Ausgangsleistung von vier Watt, eine Leistungsaufnahme von 80 Watt und waren sehr einfach zu bedienen.

Werbung für das Dynavox Tonbandgerät

Das Dynavox von Willi Studer, war das erste Produkt seiner Firma, welches mit einem eigenen Prospekt im Handel angeboten wurde.

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